Paulo Freire war die herausragendste Persönlichkeit in der brasilianischen Volksbildung und Begründer der Befreiungspädagogik sowie einer Massenbewegung für die Alphabetisierung von Erwachsenen. Sein pädagogischer Zugang basiert auf Bewusstseinsbildung (conscientização) und verbindet Handeln mit Reflexion. Dieser Artikel analysiert den Beitrag, den Freires Haltung und Weltanschauung in den Bereichen der Entwicklungsforschung und der Pädagogik leistet. Die Argumentation ist in vier Abschnitte gegliedert: Erstens, die Welt lesen bedeutet eine kritische Herangehensweise an das Verständnis der Realität, basierend auf Dialog, Dialektik und einem kontextualisierten, problem-orientierten Zugang. Zweitens, die Welt schreiben bedeutet, in einer von Herrschaft und Unterdrückung strukturierten Welt zu agieren – was nach einem nicht-dualistischen Ansatz verlangt, der Handeln und Struktur sowie Ethik und Rationalität in dem Bemühen um umfassende Demokratisierung verbindet. Der dritte Abschnitt ist Fallstudien gewidmet, die darauf abzielen, Freires Zugang für das Wien des 21. Jahrhunderts zu kontextualisieren. Der letzte Abschnitt fasst die Argumentation zusammen, mit Schwerpunkt auf ihre Auswirkungen auf die Entwicklungsforschung in den Traditionen von Pierre Bourdieu und Roy Bhaskar.