Der Aufsatz unternimmt den Versuch, die Geschichte von Entwicklung weniger als Geschichte von Ideen und Konzepten, sondern aus derPerspektive (einiger) ihrer PraktikerInnen zu schreiben. Er basiert auf mehrals zwanzig Oral-History-Interviews mit ÖsterreicherInnen, die in den1960er und 1970er Jahren als EntwicklungshelferInnen vor allem in Afrikaund Lateinamerika tätig waren. Die Analyse dieser Gespräche ermöglichtEinblicke in die ersten Jahrzehnte der österreichischen Entwicklungshilfe,und zwar sowohl auf persönlicher (Motivation, Identität) als auch auf institutioneller Ebene. Der Aufsatz versucht, die Geschichte dieser heterogenenGruppe von Fachleuten (LehrerInnen, IngenieurInnen, SozialarbeiterInnenund andere) nachzuzeichnen, und untersucht, wie sich die Interviewten andiesen wichtigen Teil ihrer Biographie erinnern und wie sie diese Lebensphase bewerten.
Einleitung
This article refers to those processes of development that take place in practice in specific projects and programmes. I understand these realms as a particular sphere of action that establishes ideologies and practices, which often differ from the official development discourse. Here, development experts are not architects or masters of change protected by a secure and powerful institutional framework. On the contrary, they are thrown into a stormy sea of cultural norms and identity constructions in flux, into dynamic societies, and even more so into polycentric currents of social, political and economic interests and power relations. Thus, they become actors in a dynamic and controversial process we call development.
Der Artikel geht aus von der Kritik an west- und ostdeutschen EntwicklungsexpertInnen in der Entwicklungshilfe und internationalen Solidarität der 1960er und 1970er Jahre in Afrika südlich der Sahara, die sowohl in Ländern des Nordens als auch des Südens vorgebracht wurde. Er fragt nach den Formen jener Kritik und nach Reformen in Ausbildung und Auswahl der Fachkräfte, die ab Ende der 1960er Jahre ganz besonders vehement einsetzten. Er zeigt, dass paradoxerweise gerade das Bemühen, die Moral der ExpertInnen und ihre interkulturellen Kompetenzen zu heben, Vorstellungen von vermeintlicher kultureller Andersartigkeit und Unterentwicklung in Afrika südlich der Sahara befestigt hat und dass dadurch auch Vorurteile und rassistische Zugangsweisen unterstützt, wenn nicht gar hervorgerufen wurden.
Das Modell der partizipative Entwicklung impliziert normative und paradoxe Handlungsvorgaben für angemessene Interaktionen zwischen EntwicklerInnen mit zu Entwickelnden, die sich nicht ohne weiteres in verschiedene Kontexte übertragen lassen. Anhand der Ergebnisse einer ethnologischen Feldforschung in Niger zeigt der Artikel, wie internationale ExpertInnen versuchen, sowohl ihre beruflichen als auch ihre privaten Kontakte zur lokalen Bevölkerung entlang dieser partizipativen Ethik des Fremdverstehens zu gestalten und welchen Schwierigkeiten sie dabei begegnen. Ich argumentiere, dass die widersprüchlichen Handlungsvorgaben für den Umgang mit der Differenz zu den Anderen in der Entwicklungsbeziehung oft dazu führten, dass westliche EntwicklungsexpertInnen Kontakte zu NigerInnen als kaum zu lösendes Dilemma erlebten. Da die Versuche, ihr moralisches Wissen im Rahmen interkultureller Kontakte anzuwenden, häufig scheiterten, zogen es viele EntwicklerInnen vor, sich von Kontakten zurückzuziehen, um auf diese Weise potentiell problematische Situationen zu vermeiden.
The Peoples Republic of China and the Republic of Tanzania shared an ostensibly similar political objective in the 1960s: the pursuit of socialist development. As part of its drive to promote internationalist solidarity, Beijing despatched a range of experts to Tanzania and elsewhere in Africa to undertake development projects. Their encounters with members of the recipient communities were shaped by cultural mores and expectations at the interpersonal level and proved to be points of engagement as well as contention. This study uses a historical lens to elucidate the role of the Chinese experts as agents of knowledge dissemination in Tanzania and focuses on the soft side of south-south cooperation. Based on historical data from the 1960s and 1970s, this contributions conclusions emphasise the primary role of culture in shaping understandings of development, as well as the critical importance that cross-cultural issues have on the transmission and appreciation of knowledge at the most basic interpersonal level.