Joachim Becker, Ronald Heinz, Karen Imhof, Karin Küblböck und Wolfram Manzenreiter (Hg.)
Während der vergangenen Jahrzehnte haben sich die Finanzmärkte in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gedrängt. Oberflächlich betrachtet hängt dieses Interesse mit den Medienberichten über die sich häufenden globalen Finanzkrisen zusammen, die oft in den so genannten Entwicklungsländern ihren Ausgang nehmen und sich zu globalen Krisen mit schwerwiegenden Folgen auch für die Industriestaaten ausweiten. Die ursächliche Frage nach der Wirkungsweise von Finanzmärkten bleibt dabei meist ungeklärt.
Die Aufmerksamkeit, die dem Phänomen "Finanzmarkt" zuteil wird, macht eine begriffliche Klärung dieses Terminus notwendig und erfordert eine genaue Analyse seiner Funktionsweise sowie seiner Auswirkungen auf die wirtschaftliche, soziale und politische Entwicklung von Staaten im Zentrum und an der Peripherie.
In der historischen Betrachtung präsentiert sich die Entwicklung von Finanzmärkten und globalen Geldströmen in engem Zusammenhang mit den jeweils herrschenden internationalen Geldregimen, die die politischen und wirtschaftlichen Handlungsspielräume weltweit bestimmten und bestimmen.
Unterschieden werden können im Wesentlichen drei Perioden: bis in die 1930er Jahre der Goldstandard, nach dem Zweiten Weltkrieg der Dollar und seit den 1970er Jahren flexible Wechselkurse, die durch abnehmende internationale Regulierungen der Kapitalströme gekennzeichnet sind. Diese Entwicklung bildet den Hintergrund für eine genauere Analyse der globalen Finanzarchitektur. Während die kollektive Erinnerung an die Weltwirtschaftskrise nach 1929 und die Erschütterung der Finanzmärkte nach dem Zweiten Weltkrieg die Grundlage einer stärker interventionistischen Geldpolitik bildeten, wurden ab den 1970er Jahren Regulierungen kontinuierlich abgebaut. Es drängt sich die Frage auf, ob und wie weit die neuartigen Krisenerscheinungen mit der Liberalisierung und Deregulierung der Finanzmärkte in Verbindung stehen.
Die Klärung dieser Fragen bedarf einer grundsätzlichen Definition der Funktionsweise von Finanzmärkten sowohl in den Zentrumsstaaten als auch in der Peripherie. Dabei werden über den wirtschaftswissenschaftlichen Bereich hinaus auch die politischen und sozialen Implikationen für die jeweiligen Länder untersucht. Begriffliche Grundlagen zu schaffen und die historisch gewachsenen Rahmenbedingungen aufzuzeigen, ist Aufgabe des ersten einführenden Buchteils. Ergänzend folgen eine Reihe von Fallbeispielen aus Lateinamerika, (Ost)Europa und Asien. Abschließend wird auf die aktuelle Diskussion um eine Reformierung und Re-Regulierung von Finanzmärkten eingegangen sowie auf die derzeit diskutierte Möglichkeit der Insolvenz für Entwicklungsländer.
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Inhalt
Joachim BECKER, Ronald HEINZ, KarenIMHOF, Karin KÜBLBÖCK, Wolfram MANZENREITER
Geld, Finanzmärkte und Krisendynamiken
Vanessa REDAK
Zur Rolle und Funktion von Finanzmärkten
Derek H. ALDCROFT
Das Problem der Auslandsschuld in historischer Perspektive
Martin SCHÜRZ
Ziele der Geldpolitik im Wandel der Zeit
Martina NEUWIRTH
Fluss ohne Wiederkehr. Finanzmärkte und Verschuldung
Joachim BECKER, Andrés MUSACCHIO
Argentinien: Wiederholung der Verschuldungskrise
Karen IMHOF
Verschuldung, Finanzkrise und die Etablierung neoliberaler Hegemonie in Mexiko
Florian WUKOWITSCH
Entwicklung unter "Finanzmarktaufsicht"
Implikationen brasilianischer Wirtschafts- und Sozialpolitik 1994-2002
Ilker ATAÇ
Die Krise der neoliberalen Entwicklungsweise in der Türkei
Rudy WEISSENBACHER
Der IWF und die Dialektik der marktwirtschaftlichen Ideologie in Jugoslawien
Waltraut URBAN
Die Asienkrise 1997 und danach
Ronald HEINZ, Wolfram MANZENREITER
Finanzkrise im Zentrum: Der Fall Japan(s)
Karin KÜBLBÖCK
Re-Regulierung der Finanzmärkte
Mascha MADÖRIN
Schuldenstreichung und Reparation:
völkerrechtliche Aktualisierung alter Forderungen
Robert MUSIL
Neue Wege des Wirtschaftens
HerausgeberInnen
Wolfram MANZENREITER arbeitet als Universitätsassistent am Institut für Ostasienwissenschaften der Universität Wien.
Joachim BECKER ist Professor am Institut für Volkswirtschaftstheorie und -politik der Wirtschaftsuniversität Wien.
Karin KÜBLBÖCK ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der Österreichischen Forschungsstiftung für Entwicklungshilfe (ÖFSE), Karen Imhof Lektorin am Projekt Internationale Entwicklung/ZÜF der Universität Wien.
Weitere MitarbeiterInnen an diesem Band sind u.a. Vanessa Redak, Mascha Madörin, Andrés Musacchio und Derek Aldcroft.