Der Band beschäftigt sich mit Entwicklungsmodellen aus dem 20. Jahrhundert, die Gesellschaftsveränderung mit sozialistischen Ansprüchen umzusetzen versuchten. Die AutorInnen analysieren dabei, unter welchen Bedingungen diese Ansätze abseits kapitalistischer Marktlogik entstanden, wie ökonomische und soziale Entwicklungen vorangetrieben und umgesetzt wurden und inwieweit emanzipatorische Ansprüche eingelöst werden konnten. Schließlich gehen sie der Frage nach, welche gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Veränderungen möglich waren und woran diese sozialistischen Versuche schließlich scheiterten.
Die Beiträge betrachten Regierungspraxen und nicht oppositionelle Bewegungen. Nach dem Scheitern sozialistischer Versuche in Deutschland und anderen westeuropäischen Ländern zu Anfang des 20. Jahrhunderts setzten sich Sozialismen als staatliche Praxis einzig an der Peripherie Europas und später in der sogenannten „Dritten Welt“ durch. Damit stellen sich vielfach Fragen nachholender Entwicklung und Industrialisierung, womit auch das Verhältnis der Produktion von Investitions- und Konsumgütern, von Industrie und Landwirtschaft angesprochen wird. Neue Formen wirtschaftlicher Regulation bildeten sich heraus, spezifische Krisendynamiken und Reformansätze entwickelten sich. Die Entwicklungsstrategien haben sich in Schlüsselländern des Staatssozialismus wie der Sowjetunion, der VR China und Jugoslawien durchaus unterschieden.
Neben bekannten Ansätzen sozialistischer Entwicklung fließen auch solche in den Band mit ein, die in der aktuellen Diskussion kaum mehr präsent und nichtsdestotrotz sehr originell sind, wie z.B. der „demokratische Weg zum Sozialismus“ der Unidad Popular in Chile oder der bäuerlich geprägte Ujamaa-Sozialismus in Tanzania. Außereuropäische Erfahrungen – wie der Vergleich VR China mit Nord-Korea, arabischer Sozialismus, verschiedene Sozialismus-Konzeptionen in Afrika vom „afrikanischen Sozialismus“ bis hin zu marxistisch-orientierten Sozialismus-Ansätzen – nehmen in dem Band einen breiten Raum Unterschiedliche Sozialismus-Praxis und ihre theoretisch-konzeptionellen Begründungen werden vorgestellt und miteinander verglichen. Abschließend diskutieren die AutorInnen Themen wie die Rolle der Arbeiterschaft oder die Art der Frauenemanzipation in den staatssozialistischen Ländern Osteuropas.
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Inhalt
Joachim BECKER, Rudy WEISSENBACHER
Vorwort
Joachim BECKER
Anatomie der Sozialismen
Wirtschaft, Staat und Gesellschaft
Hans-Heinrich NOLTE
Nachholende Entwicklung in der Sowjetunion
Rudy WEISSENBACHER
Sozialismus in Jugoslawien
Die Selbstauflösung des Entwicklungsstaats
Dieter SEGERT
Staatssozialismus, ökonomische Entwicklung und Modernisierung in Osteuropa
Susan ZIMMERMANN
Geschlechterregime und Geschlechterauseinandersetzung im ungarischen „Staatssozialismus“
Rüdiger FRANK
Sozialismus in Ostasien
China und Nordkorea
Ingrid EL MASRY
Arabische Sozialismen im Vergleich
Praxis, Scheitern und Spätfolgen in Ägypten, Syrien und Irak
Walter SCHICHO
Ujamaa: Sozialismus und/oder Entwicklung
Joachim BECKER
Sozialistische Versuche im Südlichen Afrika
Angola und Mosambik
Dieter BORIS
Die Unidad Popular in Chile (1970–1973) – ein gescheiterter Weg zum Sozialismus
Michal POLÁK
Was ist die Seele des Sozialismus?
HerausgeberInnen
Joachim BECKER, geboren 1960, ist Ökonom und Politikwissenschaftler und arbeitet als Professor am Institut für Aussenwirtschaft und Entwicklung der Wirtschaftsuniversität Wien. Regionale Schwerpunkte sind hierbei Lateinamerika, Osteuropa sowie das Südliche Afrika. Bei Promedia sind von ihm als Mitherausgeber folgende Bände erschienen: “Geld Macht Krise”, “Grenzen weltweit” und “Krieg an den Rändern”.
Rudy WEISSENBACHER, geboren 1966 in Graz, ist historischer Sozialwissenschaftler und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Regional- und Umweltwirtschaft der Wirtschaftsuniversität Wien.