Die vergangenen Jahrzehnte waren von einer dramatischen Zunahme an grenzüberschreitenden ökonomischen Transaktionen geprägt. Globaler Handel und Investitionen expandierten. Das Resultat ist eine qualitative Neustrukturierung von Güterketten, in denen die Produktion von Waren und Dienstleistungen in einzelne Produktionsschritte aufgeteilt und global verteilt werden. Damit verbunden sind eine Ausweitung von Produktionskapazitäten in Entwicklungsländern sowie eine generelle Neuverteilung ökonomischer Aktivität im Weltmaßstab. Eine steigende Anzahl von alltäglich benützten bzw. konsumierten Waren wird entlang global organisierter Güterketten arbeitsteilig produziert, wobei die Profite daraus ungleich zugunsten mächtiger transnationaler Unternehmen in den Zentren verteilt werden.
Dies wirft eine Reihe (entwicklungs-)politisch relevanter Fragen auf: Können arme Länder und Regionen durch eine Integration in diese globalen Güterketten und Produktionsnetzwerke ihre Entwicklungsperspektiven nachhaltig verbessern? Welche entwicklungs- und industriepolitischen Konzepte tragen zur Verbesserung ihrer Position in diesen Netzwerken und zur Steigerung der Aneignung regional geschaffener Werte bei? Welche Unternehmensstrategien erklären aktuelle und historische Standortsysteme und was folgt daraus für bestehende und zukünftige Machtasymmetrien und Entwicklungsperspektiven innerhalb von Produktionsnetzwerken?
Diesen und weiteren Fragen nähert sich der Band anhand der Perspektive „globaler Güterketten“ an. Sein Forschungsansatz stellt die Organisation weltweit verstreuter, arbeitsteiliger Produktionsprozesse und die daraus entstehenden Konsequenzen für Entwicklung in den Mittelpunkt. Unter anderem werden folgende Inhalte diskutiert: Grundlagen, Kritik und Weiterentwicklung des Konzeptes „globale Güterketten“; Fragen der Arbeitsqualität und der sozialen Unternehmensverantwortung sowie deren Regulierung. Fallbeispiele mit historischem und aktuellem Bezug behandeln den Kakaosektor, die Fischproduktion, die Textil- und Bekleidungsindustrie, die Sportartikel-, Automobil-, Elektronik- und Pharmaindustrie sowie die Rolle von Supermarktketten in globalen Produktionszusammenhängen. Durch eine breite räumliche Streuung der Fallbeispiele auf zentrale, periphere und semiperiphere Regionen stellen die Beiträge eine wertvolle Ergänzung und Alternative zu traditionellen entwicklungsökonomischen Zugängen dar.
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Inhalt
Karin FISCHER, Christian REINER, Cornelia STARITZ
Einleitung
Jennifer BAIR
Globaler Kapitalismus und Güterketten: Rückblick und Ausblick
Bernhard UNGERICHT
Die Regulation transnationaler Wertschöpfungsketten als interessenpolitisch umkämpftes Terrain
Andrea KOMLOSY
Weltmarkttextilien: Globale Güterketten im historischen Wandel
Wolfram MANZENREITER
Sportartikelproduktion und -konsumation: Brands in Japan
Lukas LENGAUER, Florian WUKOVITSCH
Globale Wertschöpfungsketten in der Automobilindustrie unter besonderer Berücksichtigung der Strukturen und Politiken in Mittel- und Osteuropa
Jörg FLECKER
Bewegliche Ziele
Aufstieg in globalen Wertschöpfungsketten und die Qualität der Arbeit
Leonhard PLANK, Cornelia STARITZ
Globale Produktionsnetzwerke und „prekäres Upgrading“:
Der Elektroniksektor in Ungarn und Rumänien
Christian ZELLER
Ungleiche globale Expansion:
Warenketten in der Pharmaindustrie und der Aufstieg Indiens und Chinas
Karin FISCHER
Die globalisierte Lachsindustrie:
Vom Süden Chiles ins Kühlregal des Supermarktes
Niels FOLD
Angebotssicherheit in kleinbäuerlich dominierten globalen Wertschöpfungsketten:
Private Regulierung der westafrikanischen Kakaoproduktion
Christiane STEPHAN, Andreas STAMM
Faire Wertschöpfungsketten:
Sozialverträgliche Formen der Modernisierung in Sri Lankas Zimtsektor
Elisabeth AUFHAUSER, Christian REINER
Die Macht der Supermärkte:
Die Steuerung globaler Warenketten durch den Einzelhandel
HerausgeberInnen
Karin FISCHER, geboren 1965, ist historische Sozialwissenschaftlerin und arbeitet an der Johannes Kepler Universität Linz. Sie ist Redakteurin des „Journals für Entwicklungspolitik“.
Christian REINER, geboren 1979, ist Assistent für Wirtschaftsgeographie an der Universität Salzburg.
Cornelia STARITZ, geboren 1980, ist Ökonomin und zurzeit Junior Professional Officer bei der Weltbank in Washington.