Wie schnell wächst die Weltbevölkerung? Wann wird das globale Bevölkerungswachstum zum Stillstand kommen? Wie viele Menschen werden dann auf der Erde leben und wie wird deren räumliche Verteilung aussehen? Sind das Wachstum und die Verteilung der Bevölkerung Faktoren, die Armut und Krisen hervorrufen? All das sind alt bekannte Fragen, die alle Experten und demographisch Interessierten durch die letzten Dekaden des 20. Jahrhunderts begleitet haben. Dementsprechend belegten Themen wie die Eindämmung des angeblich viel zu raschen Bevölkerungswachstums und die zunehmende Ungleichverteilung der Bevölkerung zwischen Megastädten und den restlichen Landesteilen jahrzehntelang die Top-Positionen der bevölkerungspolitischen Agenden. Nachdem menschheitsgeschichtlich das Bevölkerungswachstum Jahrtausende lang nur sehr langsam vor sich ging, erschien es nur folgerichtig, dem neuen und vorher nie gekannten Phänomen einer dynamischen Bevölkerungszunahme und seinen möglichen Konsequenzen die entsprechende Beachtung zu schenken.
Allerdings begann sich schon gegen Ende des 20. Jahrhunderts eine Auseinanderentwicklung abzuzeichnen. In einem Großteil der entwickelten Staaten wurde ein anderes Problem virulent, nämlich die zunehmende Alterung der Gesellschaft bei gleichzeitig geringem (natürlichen) Bevölkerungszuwachs. Tatsächlich sinken in fast allen Staaten der Welt die Fertilitätsraten kontinuierlich, und das zum Teil mit zunehmender Geschwindigkeit.
Neuere Studien argumentieren, dass es sich sowohl beim Fertilitätsrückgang als auch bei der demographischen Alterung um global ablaufende Prozesse handelt, die – zu unterschiedlichen Zeitpunkten und mit unterschiedlicher Dynamik – alle Staaten der Welt erfassen werden oder bereits erfasst haben. Eine Reihe von Experten sieht aber in der Tatsache, dass in vielen Entwicklungsländern das Absinken der Kinderzahlen erst seit relativ kurzer Zeit stattfindet, keinen Nachteil, sondern längerfristig sogar einen „demographischen Bonus“. Allerdings hat dies auch seine Schattenseiten: eine Reihe von Entwicklungsländern wird in naher Zukunft zunehmend mit einer neuen Art von „demographischer Scherenentwicklung“ konfrontiert sein. Einerseits sollen für die noch eine gewisse Zeit wachsende Zahl von Jugendlichen Erwerbsmöglichkeiten geschaffen werden, während andererseits bereits jetzt die Weichen für eine künftig rasch alternde Gesellschaft gestellt werden müssen.
Ziel des Bandes „Weltbevölkerung“ ist es, die wichtigsten globalen Trends und ihre möglichen Folgen zu analysieren sowie bestehende bevölkerungstheoretische Konzepte auf ihre Brauchbarkeit hin zu prüfen.
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Inhalt
Karl HUSA, Christof PARNREITER, Helmut WOHLSCHLÄGL
Einführung
Karl HUSA, Peter Alexander RUMPOLT, Helmut WOHLSCHLÄGL
Auf dem Weg zur siebenten Milliarde
Schlaglichter der Weltbevölkerungsentwicklung bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts
FRANK SWIACZNY
Zukunft der Weltbevölkerung – Modellrechnungen und Prognosen
Ramon BAUER, Heinz FASSMANN
Europa – demographische Differenzierung eines alternden Kontinents
Josef KYTIR
Für immer alt? – „Demographic Ageing“ im globalen Kontext gesellschaftlichen und demographischen Wandels
Roger KEIL, S. Harris ALI
Stadt der Seuchen – Pandemie und globale Urbanisierung
Ron LESTHAEGHE
Der „Zweite demographische Übergang“
Ein konzeptioneller Wegweiser zum Verständnis spätmoderner demographischer Entwicklungen in den Bereichen Fertilität und Familienbildung
August GÄCHTER
Die These vom „Dritten demographischen Übergang“
Einige Anmerkungen
Sabine HENNING
Jüngere Fertilitätstheorien – Ein kritischer Überblick
Christof PARNREITER
Bevölkerungswachstum und wirtschaftliche Entwicklung
Ein kausales Verhältnis?
Jürgen OSSENBRÜGGE
Klimawandel, Bevölkerungswachstum und „securitization“
Neomalthusianische Herleitungen zukünftiger Klimakriege
Susanne SCHULTZ
Antinatalismus postkolonial
Zur flexiblen Kontinuität internationaler Bevölkerungsprogramme
Heike KAHLERT
Kinder oder Inder?
Pronat(ion)alismus in der Einwanderungsgesellschaft
Karl HUSA, Peter Alexander RUMPOLT, Helmut WOHLSCHLÄGL
Die Weltbevölkerung zu Beginn des 21. Jahrhunderts
Neue Schlüsselthemen – neue Mythen?
HerausgeberInnen
Karl HUSA, geboren 1950 in Wien, Geograph, arbeitet am Institut für Geographie und Regionalforschung der Universität Wien.
Christof PARNREITER, geboren 1964 in Linz, Geograph, ist am Institut für Geographie an der Universität Hamburg tätig.
Helmut WOHLSCHLÄGL, geboren 1949 in Wien, ist Institutsvorstand am Institut für Geographie und Regionalforschung sowie Studienprogrammleiter an der Universität Wien.