Martha Lía Grajales: Populare Macht in Venezuela
Transkript: Populare Macht in Venezuela – Martha Lía Grajales |
Guten Tag, mein Name ist Martha Lía Grajales. Ich bin Teil des Menschenrechtskollektivs Surgen-tes, der Kooperative Unidos San Agustín Convive und des Plans „Pueblo a Pueblo“. In der folgendenPräsentation möchte ich einen Blick auf die Situation und die Rolle der popularen Bewegungenin Venezuela im Kontextder aktuellen Krise werfen.
|
Der Charakter der Bolivarianischen Revolution |
In Folge der Machtübernahme von Hugo Chávez im Jahr 1998, vollzog sich eine Neugründung desvenezolanischen Staates als Bolivarianische Republik Venezuela. Damit wurde ein neuartiges pro-tagonistisch-partizipatives Modell der Demokratie eingeführt; die verarmte Bevölkerung und ihreInteressen rückten fortan ins Zentrum der politischen Agenda der Revolutionären Regierung.Die konkrete Aneignung dieses politischen Modells durch die Bevölkerung manifestierte sich in derzunehmenden Organisierung der verarmten Bevölkerungsmehrheiten – nicht nur in quantitativer,sondern auch in qualitativer Hinsicht.So entstanden in dieser Zeit unterschiedlichste Formen popularer Organisation von unten, z.B.selbstverwaltete Initativen zur Organisation der Wasserversorgung, kommunale (Selbstregie-rungs)Räte oder Kooperativen. Durch diese Organisationsprozesse gelang es den unteren Bevölke-rungsgruppen auch an Einfluss auf die Politik der Regierung zu gewinnen.Die populare Regierung wiederum förderte diese Prozesse durch technische Unterstützung und Res-sourcen. Es entwickelte sich eine symbiotische Beziehung zwischen Bewegungen und Regierung,die zu einer massiven Ausweitung und Vertiefung popularer Organisation führte.Diese Strategie, populare Selbstverwaltung „von unten“ in Kooperation mit dem Staat aufzubauenist unter Aktivist_innen allerdings umstritten. Ich teile diese Zweifel nicht. Ich verstehe den Staatals umkämpftes Terrain und die popularen Kräfte sollten nicht darauf verzichten, diesen für ihreInteressen zu nützen. Zugleich müssen sie diesen Staat jedoch schrittweise durch ein neues popula-res Institutionengefüge ersetzen, das von unten nach oben aufgebaut wird.
|
Zur Krise der Bolivarianischen Revolution: Bürokratisierung und ZentralisierungDieser Prozess war immer voller Spannungen; er entwickelte sich nicht einfach harmonisch weiter,sondern mit Höhen und Tiefen. Mit dem Tod von Hugo Chávez setzte aber eine Reihe folgenreicherpolitischer und ökonomischer Entwicklungen ein - etwa die Wirtschaftskrise oder die internationaleBlockadepolitik – durch die das Projekt popularer Selbstregierung eine herbe Schwächung erlittenhat.Im Bereich des Politischen wurde die externe, zentrale Kontrolle über die Strukturen popularerSelbstverwaltung ausgeweitet. Bei den kommunalen Räten z.b. wurden die Möglichkeiten ihre Ver-treter_innen selbst zu wählen eingeschränkt. Außerdem wurden ihnen neue Strukturen übergeord-net, die nicht über das gleiche Maß an Partizipation und Ermächtigung verfügen. Und es wurde be-gonnen, jegliche Kritik mit Misstrauen zu beäugen, selbst im Inneren der popularen Bewegungen.Denn im Kontext der schweren nationalen und internationalen Angriffe auf die Regierung konntejede Kritik als Verrat an die rechte Opposition und als Schwächung der Regierung delegitimiertwerden. |
Im Bereich des Ökonomischen hatte die Krise ebenfalls schwerwiegende Auswirkungen. Denn vieledieser Organisationsprozesse „von unten“ waren wirtschaftlich zu einem hohen Grad von staatlicherUnterstützung abhängig. In dem Maß in dem die Ressourcen des Staates in der Krise schwanden,wurden daher auch die popularen Initiativen geschwächt und verloren an politischerund organisatorischer Kraft. |
In Hinblick auf die politische Führung des chavistischen Projekts und ihrer Strategien gegenüberder Krise, dürfen wir nicht vergessen, dass die Kräfte der nationalen wie internationalen Rechtenmit dem Tod von Chávez den Moment gekommen sahen, diesen politischen Prozess in Venezuelazu stoppen und ihre Angriffe auf das Projekt massiv verschärften. Angesichts dieses Belagerungszu-stands hat die politische Führung die Maxime der Staatsräson ausgerufen und begonnen, die Machtzunehmend in ihren Händen zu zentralisieren. Dabei konnten die konservativen Sektoren innerhalbdes Chavismus an Einfluss auf die politische und ökonomische Ausrichtung von Partei und Regie-rung gewinnen. Es wird argumentiert, dass wir uns im Krieg befinden und belagert werden und da-her die Revolution gegenüber jeglicher Bedrohung verteidigen müssen. Dabei wird die zentraleRolle der subalternen Klassen durch jene der Partei-Avantgarde ersetzt. Es wird behauptet, nur diePartei verfüge über die nötige politische Klarsicht, um die Massen zu führen und die popularenSelbstverwaltungsinitiativen büßen allmählich all ihr transformatorisches Potential ein. Diese wer-den so vom politischen Subjekt und eigentlichen Protagonistin des Prozesses zu einer passivenNutznießerin degradiert, die der Protektion und Führung durch Staat und Partei bedarf.
|
Zur Vertiefung popularer Organisation und solidarökonomischer Selbstversorgung in derKrise |
Trotz dieses Rückgangs an Partizipation und politischem Engagement, existieren Initativen, die sichinmitten der Krise nicht nur erhalten konnten, sondern ihre politischen und wirtschaftlichen Aktivi-täten sowohl quantitativ als auch qualitativ vertiefen konnten. Diese Prozesse der Selbstorganisation
|