In Memoriam: Paul Singer
Paul Singer war Professor für Ökonomie an der renommierten Universidade de São Paulo, engagierte sich aber zeitlebens auch politisch. Er war Gründungsmitglied der brasilianischen Arbeiterpartei, 1989-1992 Planungsstadtrat in São Paulo und zwischen 2003 und 2016 Brasiliens erster Staatssekretär für Solidarische Ökonomie. Außerdem war er Träger des Großen Silbernen Ehrenzeichens am Bande für Verdienste um die Republik Österreich.
Paul Singer wurde 1932 in Wien geborenen und musste wegen seiner jüdischen Herkunft mit seiner Familie vor den Nationalsozialisten nach Brasilien flüchten. In Brasilien engagierte er sich seit seiner Jugend politisch und beteiligte sich schon in jungen Jahren an Streiks und Kämpfen für bessere Arbeitsbedingungen. Später, als sozial und politisch engagierter Wirtschaftswissenschafter, propagierte er eine Wirtschaftspolitik, die wirtschaftlichen Fortschritt durch soziale Umverteilung und Armutsbekämpfung erreicht.
Paul Singer engagierte sich bis ins hohe Alter für eine bessere und gerechtere Welt. Bis zu seiner Absetzung im Zuge des Putsches gegen die brasilianische Regierung 2016 pendelte er wöchentlich zwischen seinem Wohnort São Paulo und dem Regierungssitz Brasília. Auch bei internationalen Konferenzen und Kongressen war er präsent und war auch stets an den Entwicklungen andernorts interessiert. Trotz der Umstände seiner Vertreibung kam er stets mit besonderer Freude Einladungen in seine frühere Heimat Österreich nach. Darauf angesprochen antwortete er mir einst: „Ich komme gerne nach Wien, trotz der Geschichte. Aber heute komme ich und kann dort engagierte Freunde treffen, so wie dich.“ Dieses Beispiel zeigt nicht nur Pauls menschliche Größe, sondern auch seine Verbundenheit zur alten Heimat, in der er sich auch als Mitglied des Ehrenpräsidiums des Paulo Freire Zentrums engagierte. Als besonders renommierter brasilianischer Professor und Politiker verleugnete er nie seine Herkunft und bekam dafür mehr als verdient 2009 das Große Silberne Ehrenzeichen am Bande für die Verdienste um die Republik Österreich verliehen.
Paul Singers Glaube und noch vielmehr sein tatkräftiges Engagement für eine andere Welt bleibt stets in Erinnerung. Mit seinem Schaffen trug er aktiv zu einer Entwicklungszusammenarbeit bei, die diesen Namen verdient: Gegenseitiges Lernen (Süd-Nord und Nord-Süd) stand bei seinen Besuchen in Österreich und anderen Ländern stets im Mittelpunkt.
Mit Paul Singer verlieren wir einen großen Intellektuellen, Lehrer und Freund. Zum Glück hinterließ er uns aber ein Erbe, auf dem wir aufbauen und weitermachen können. Paul versprühte stets einen ansteckenden Optimismus und betonte selbst in äußerst schwierigen Zeiten, dass es hoffnungsvolle Projekte gibt. Die Hoffnung kann die Tristesse besiegen und es gibt weltweit unzählige praktische Beispiele, die das belegen können. Vielen Dank, Paul Singer!
Bernhard Leubolt
im Namen des Mattersburger Kreises für Entwicklungspolitik an Österreichs Universitäten und der Redaktion des Journals für Entwicklungspolitik (JEP)