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Buchpräsentation: A.G. Frank - ReOrient

Andre Gunder Franks Werk „ReOrient – Globalwirtschaft im Asiatischen Zeitalter“ stand am 18. Mai 2016 im C3 - Centrum für internationale Entwicklung im Mittelpunkt. Wie der Weltsystemtheoretiker Globalgeschichte neu erzählt, Eurozentrismus überwindet und Asien in den Fokus nimmt, wurde diskutiert.

 

 

 

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Westliche Macht als Intermezzo asiatischer Dominanz

 

 

Andrea Komlosy begann mit einer Einführung in die Thematik: Wird Globalgeschichte im Westen in der Regel als „westliche Erfolgsstory“ dargestellt, so stelle Frank dieses Bild auf den Kopf. Vor allem die Zeit zwischen dem 14. und 18. Jahrhundert werde oft durch westliche Dominanz charakterisiert. Dem stellt Frank die, in diesem Zeitalter mächtige, Rolle Asiens entgegen: Speziell China war damals ein Zentrum ökonomischer Innovation und von politischem Einfluss. Asiatische Produkte seien jenen Europas überlegen gewesen. Europa wurde durch die koloniale Ausbeutung der Silberminen in den Amerikas und die Ausbeutung von Sklaven aus Ländern Afrikas reich und importierte chinesische Waren, anstatt sie selbst zu fertigen.

Insofern könne die industrielle Revolution, die herkömmlicherweise als „Besonderheit des europäischen Unternehmergeistes“ präsentiert werde, eigentlich nicht aus Europa heraus erklärt werden. Im Gegenteil habe Europa nur die Gunst der Stunde des stockenden asiatischen Aufstiegs genutzt, um Importe schließlich durch eigene Industrieproduktion zu ersetzen. Somit handle es sich bei diesem Trend in Europa eher um „nachholende Entwicklung“. Der Mythos besonderer europäischer Leistungskraft sei damit entkräftet.

 

Kapitalismus bedingt „Unterentwicklung"

 

 

Lukas Schmidt griff die Diskussion über Entwicklungstheorien auf. Er verortete die dependenztheoretischen Wurzeln Franks in den insgesamt sehr komplexen Debatten zu Abhängigkeit und Entwicklung. Dem dependenztheoretischen Ansatz Franks zufolge, bedinge die kapitalistische Produktionsweise immer ein gewisses Maß an „Unterentwicklung“. Diese entstehe also nicht durch endogene Faktoren, sondern im Gegenteil durch äußere Einwirkung. Bereits im Kolonialismus seien die Strukturen in ausgebeuteten Gebieten einseitig auf die Bedürfnisse der Kolonialmächte ausgebildet worden. Diese halten bis heute an: Lateinamerika und Afrika komme dabei die Rolle der Peripherien und Rohstofflieferanten zu, während die USA das mächtige, reiche Zentrum darstelle – wenn auch derzeitig absteigend, zugunsten Chinas.

 

Westliche und östliche Herrschaft im Vergleich

 

Als „erleuchtenden Denkanstoß“ empfand Kunibert Raffer, wie wenig der europäische Handel, verglichen zum innerasiatischen Handel im 15.-18. Jahrhundert, quantitativ ausgemacht habe. Außerdem  definierte er als wesentlichen Unterschied der asiatischen und europäischen Dominanz, dass Asien lediglich Expeditionen nach Afrika durchgeführt und sich dann wieder zurückgezogen habe, während Europa dort blieb und Gebiete unterwarf. Europa setzte sich also dank militärischer Überlegenheit durch. Die Frage bleibt spannend, wie sich eine asiatische Dominanz in einer heutigen globalisierten Welt auswirken würde, in der China verstärkt produziert, um Waren zu exportieren.

 

Der „Erfolg des Westens“?

 

Wie aber schaffte es der Westen, wenn auch nur vorübergehend, Asien zu „überholen“? Andrea Komlosy erklärte anhand von Franks Ausführungen, dass der Erfolg Asiens gegen Ende des 18. Jahrhunderts an seine inneren Grenzen gestoßen sei: innere Krisen, Hunger und enormes Bevölkerungswachstum. Dies ermöglichte Europas Aufstieg und passe gut mit Kondratjews (russischer Wirtschaftswissenschaftler) Erklärung zusammen: Demzufolge wohnen dem Kapitalismus Zyklen von Krisen inne, die eine regelmäßige Dominanzverschiebung hervorrufen. Beispielsweise bewirke die aktuelle Krise der USA und Europas wiederum einen Aufstieg Asiens, so Komlosy zur heutigen Relevanz dieser Theorie.

 

Ein neuer Blick auf die Welt(-geschichte)

 

Die SprecherInnen stimmten mit Frank überein, die Welt als verbundenes System zu sehen, in dem sich kapitalistische Dynamiken in einer Region auf andere auswirken. Allerdings sei Frank selbst an eine gewisse Desillusion gestoßen: Als Politikberater nationalstaatlicher Regierungen erkannte er die Ohnmacht, gegen systemische, kapitalistische Kräfte anzukommen.

Demzufolge zollte Faschingeder Andre Gunder Frank Tribut als Vorbild, Wissenschaft mit politischer Praxis, ganz im Sinne Paulo Freires, zu verbinden. Er plädierte für eine neue Orientierung im Hinblick auf das Weltsystem und die Interpretation von Globalgeschichte. Um zu illustrieren, dass man sich trotz systemischer Kräfte keineswegs davon abhalten lassen solle, sich politisch zu engagieren, schloss Faschingeder den Abend mit den Worten Albert Camus: „Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.“

 

Von Monika Austaller

 

Die Autorin studiert Socio-Ecological Economics and Policy und ist Mitglied im Online-Redaktionsteam.

 

 

Eine Veranstaltung in Kooperation mit Promedia

 

Mit freundlicher Unterstützung der OEZA

 

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