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Gewerkschaften im Nord-Süd-Konflikt

Globalisierung hat diverse Auswirkungen auf die Gewerkschaftsarbeit in Ländern des globalen Nordens und Südens. Eingebettet in diesen thematischen Rahmen wurde am 3. März das Journal für Entwicklungspolitik (JEP vol. XXXI, 2-2015) „Gewerkschaftsarbeit in Nord und Süd “ präsentiert.

 

 

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>> Hier geht es zur Schwerpunktausgabe

 

Als eine der wenigen entwicklungspolitischen Fachpublikationen über Gewerkschaftsarbeit macht das präsentierte JEP-Heft darauf aufmerksam, welche Auswirkungen Globalisierung auf die regionale und internationale Zusammenarbeit von Gewerkschaften hat. Die AutorInnen gehen der Frage nach, wie Gewerkschaften auf Globalisierungsherausforderungen wie Standort- und Steuerwettbewerb, Lohndruck und Migration reagieren. Fallstudien aus Spanien, Südafrika, China, Argentinien, Brasilien, Uruguay, Venezuela und Österreich verdeutlichen die strukturellen Unterschiede in den Arbeitsbeziehungen und Organisationsstrukturen.
Die Präsentation des JEP fand in der Fachbuchhandlung des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) statt. Anschließend wurde gemeinsam mit den AutorInnen und VertreterInnen des ÖGB über Herausforderungen für die Gewerkschaften angesichts veränderter nationaler und globaler Bedingungen diskutiert.

 

Kontext: Nord-Süd-Konflikt

 

Gewerkschaftsarbeit sei heute eingebettet in den Kontext des globalen „Nord-Süd-Konfliktes“, aus dem der Norden meist als „Gewinner“ hervorgehe und der Süden nur wenig profitiere. Doch auch innerhalb Europas sei ein Nord-Süd-Konflikt zu beobachten, betonte Julia Hofmann (Johannes Kepler Universität Linz). Diese wirtschaftliche Kluft in europäischen Ländern führe sukzessiv zur Dezentralisierung der Gewerkschaften. Eine länderübergreifende Solidarität der Gewerkschaften sei angesichts der kapitalistischen Entwicklung schwer zu erreichen. Gewerkschaften aus europäischen Ländern vertreten zwar gemeinsame normative Werte, seien aber in ihrem Handlungsrahmen durch nationale Interessen eingeschränkt. Um den Widerspruch zwischen nationalen Interessen und internationaler Zusammenarbeit aufzulösen, bedürfe es mehr Solidarität und Transparenz, so Hofmann.

 

Können Gewerkschaften zur Überwindung des Nord-Süd-Konfliktes beitragen?

 

Dazu meinte der Bildungssekretär des ÖGB Oberösterreich, Sepp Wall-Strasser, dass die regionale und internationale Kooperation auf die Angleichung zwischen „reicheren“ und „ärmeren“ Ländern zielen sollte, diese Überwindung der Nord-Süd-Kluft aber hauptsächlich die Aufgabe der Politik sei. Der Handlungsspielraum der Europäischen Union (EU) sei jedoch eingeschränkt, denn die EU verfüge über keine nationalstaatliche Struktur und sei deshalb nicht einheitlich handlungsfähig. Ein solches Versagen der Politik könnten Gewerkschaften nicht kompensieren.
Auf strukturelle Probleme des Kapitalismus, die den Nord-Süd-Konflikt im Globalisierungsprozess herbeigeführt haben, wurde nicht tiefer eingegangen.

Als positives Beispiel einer gewerkschaftlichen Nord-Süd-Kooperation erwähnte der internationale Sekretär des ÖGB, Marcus Strohmeier, die Gewerkschaftsbewegung in der Volksrepublik China. Mit Unterstützung vom ÖGB habe die chinesische Gewerkschaft vor etwa fünf Jahren begonnen, bessere kollektive Arbeitsverträge für chinesische ArbeitnehmerInnen in der Textilindustrie zu verhandeln. Auf eine nachvollziehbare Evaluierung wurde jedoch nicht hingewiesen. Auch unterblieb das kritische Hinterfragen, inwiefern die chinesische Gewerkschaft zur Stabilisierung des politischen Regimes in China beiträgt.

 

Rechtsruck spaltet Gewerkschaften

 

Wie stark politische Strukturen und Dynamiken Gewerkschaftsarbeit beeinflussen, zeigte sich auch in der anschließenden Diskussion mit dem Publikum. Der politische Rechtsruck in zahlreichen europäischen Ländern, unter anderem in Zusammenhang mit der sogenannten „Flüchtlingskrise“, stellte sich in der Diskussion mit den etwa 20 TeilnehmerInnen als bedeutsames Thema heraus. Als wichtige Ursache für den Rechtsruck nannte Strohmeier die steigende Arbeitslosigkeit. Dadurch fände eine Entsolidarisierung statt, weil ArbeitnehmerInnen um ihre bereits schlecht bezahlten Arbeitsplätze bangen müssten. Besonders durch die rechtsextremen Bewegungen werde, laut Strohmeier, die gesellschaftliche Spaltung immer größer und damit die Gewerkschaftsarbeit immer schwieriger. Außerdem stünden verschiedene Gewerkschaften aufgrund mangelnder finanzieller Unterstützung in Konkurrenz zueinander. Dies führe zur weiteren Entsolidarisierung, sowohl in Gewerkschaften als in der ganzen Gesellschaft.

Auch Julia Hofmann versicherte, dass der politische Rechtsruck den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährde. Angesichts der „Flüchtlingskrise“ werden ArbeitnehmerInnen im öffentlichen Diskurs häufig in die Gruppe der „Einheimischen“ und „MigrantInnen“ gespalten. Diese Kategorisierung erschwere die Gewerkschaftsarbeit auf nationaler und internationaler Ebene.

 

Österreichische Gewerkschaftsbewegung

 

Wie reagiert nun der ÖGB auf die neuen Herausforderungen? Diesbezüglich gestand Marcus Strohmeier ein, dass die Ansätze des ÖGB aufgrund mangelnder Finanzmittel begrenzt seien. Hinsichtlich der internationalen Zusammenarbeit bestünden die Aufgaben des ÖGB vor allem in der Reaktion auf dringende Notrufe und der Organisation von Seminaren für KollegInnen aus dem sogenannten Süden. Sepp Wall-Strasser ergänzte, dass die Arbeit vom ÖGB darauf abziele, AkteurInnen unterschiedlicher Länder zusammenzuführen, damit diese voneinander lernen.

Im Hinblick auf zukünftige Entwicklung der Gewerkschaftsarbeit forderte Julia Hofmann schlussendlich eine bessere Organisations- und Beteiligungsstruktur der Gewerkschaften sowie mehr internationale Solidarität.

 

 

Bericht von Fangfang Xu für das Online Journal des Paulo Freire Zentrum

 

Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem ÖGB Verlag

 

Mit freundlicher Unterstützung der OEZA

 

 

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