Veranstaltungsbericht

Dying for an iPhone? Moderne Sklaverei in chinesischen Elektronikunternehmen und unser iPhone

Im Rahmen der Ringvorlesung „Globale Güterketten – Weltweite Arbeitsteilung und ungleiche Entwicklung“ sprach Jenny Chan unter dem Titel „Dying for an iPhone“ über die schlechten Arbeitsbedingungen in chinesischen Elektronikunternehmen – aber benannte auch die Konsumseite: „We are crazy for an iPhone“ (dt.: „Wir sind verrückt nach einem iPhone“).

 

 

Die Vorlesung fand am 13.01.2017 im Rahmen der Ringvorlesung „Globale Güterketten – Weltweite Arbeitsteilung und ungleiche Entwicklung“ statt und wurde vom Institut für Internationale Entwicklung in Kooperation mit dem Institut für Ostasienwissenschaften – Sinologie der Uni Wien und dem Mattersburger Kreis organisiert.

Zu Beginn der Veranstaltung begrüßte Lukas Schmidt (Mattersburger Kreis) die Anwesenden. Er unterstrich die Relevanz des Themas anlässlich des 10. Geburtstags des iPhones sowie der zahlreichen Proteste von Foxconn-Angestellten in China gegen deren Arbeitsbedingungen.

 

Unmenschliche Arbeitsbedingungen bei „Foxconn“ und Co.

 

Jenny Chan (Hong Kong Polytechnic University) begann ihren Vortrag mit einer Vorstellung zu Foxconn, dem größten Unternehmen in China in der Elektronikbranche. Das Unternehmen ist ein Zulieferer zahlreicher Firmen, unter anderem Samsung und Apple. Foxconn hat über 30 Werke in China mit mehr als 1 Million Angestellten. Einerseits schaffe Foxconn positive Anreize für ArbeiterInnen, indem man ihnen gute Löhne verspricht. Andererseits gebe es in der Realität sehr harte Arbeitsbedingungen: Foxconn produziert 24 Stunden am Tag, das ganze Jahr über. Die ProduzentInnen arbeiten in einer stressigen Umgebung: Sie sollen schnell arbeiten, ihre Arbeitsschichten sind mindestens 12 Stunden lang und sie haben erst nach 13 aufeinanderfolgenden Arbeitstagen einen freien Tag. Zudem arbeiten sie ohne ausreichende Arbeitsschutzmaßnahmen in Werkhallen. Auch erhalten die ArbeiterInnen einen geringen Lohn. Deshalb wohnen viele in Schlafräumen des Unternehmens, um Geld zu sparen. Chan wies darauf hin, dass diese „modern form of unfree labour“ (dt.: „moderne Form von Zwangsarbeit“) nicht nur bei Foxconn, sondern auch bei anderen chinesischen Unternehmen vorzufinden sei.

 

Suizid als Ausweg oder als Protestform?

 

Die schlechten Arbeitsbedingungen lassen laut Chan zahlreiche Foxconn-MitarbeiterInnen verzweifeln, sodass diese keinen anderen Ausweg mehr als Suizid sehen. Anhand einer 17-jährigen Überlebenden eines Suizid-Versuchs verdeutlichte sie die Umstände und Gründe, die Foxconn-MitarbeiterInnen zu einem Suizid bringen können. Die Jugendliche kam aus einem kleinen Dorf und wuchs unter ärmlichen Verhältnissen auf. Deshalb verließ sie ihre Heimat, um im städtischen Raum einen Arbeitsplatz zu finden, mit dem sie ihre Familie finanziell unterstützen könnte. Chan berichtete, dass viele junge Erwachsene zwischen 17 und 25 Jahren diesen Weg gingen. Die junge Frau arbeitete unter den beschriebenen Arbeitsbedingungen angeblich zu langsam und erhielt aufgrund „eines administrativen Problems“ ihren Lohn nicht zeitgemäß. Zudem war sie weit von ihrer Familie – eine Rückkehr in die ländliche Heimat bot für sie jedoch auch keine Perspektive. So erfüllte sich ihre Hoffnung auf einen sozialen Aufstieg in der Stadt nicht, stattdessen war sie einem starken sozialen und persönlichen Druck ausgesetzt, der sie schließlich zum Entschluss, sich vom Gebäude des Foxconn-Unternehmens zu stürzen. Chan warf die Frage auf, ob ein solcher Suizid als Protestform gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen gesehen werden kann.

 

Kollektiver Widerstand gegen gefährliche Arbeitsbedingungen.

 

Laut Chan sei es wichtig, dass ArbeiterInnen als Einzelpersonen, aber auch kollektiv für deren Rechte einstehen. Dabei sei die Form des Widerstand jedoch entscheidend: Anstelle von Suizid plädierte sie für bessere Verhandlungspositionen der ArbeiterInnen und für mediale Aufmerksamkeit. Als Beispiel hierfür nannte sie öffentliche Proteste von ArbeiterInnen, StudentInnen und WissenschaftlerInnen und die Kampagne „End to iSlavery“, um auf gefährliche Arbeitsbedingungen aufmerksam zu machen.

Auch müsse die chinesische Politik Druck auf Unternehmen ausüben, um bessere Arbeitsbedingungen zu garantieren. Hier merkte Chan kritisch die Unterstützung von Foxconn durch chinesische Behörden an. So würden junge ArbeiterInnen von Lokalregierungen und Ausbildungsämtern mobilisiert, um vom Land in die Stadt zu gehen und dort für Unternehmen wie Foxconn zu arbeiten. Grund hierfür sei das Streben nach Wirtschaftsentwicklung.

 

Sie selbst verstehe ihre Aufgabe als Wissenschaftlerin darin, ihr Wissen sichtbar zu machen und zu teilen. Nach Chan sollten auch KonsumentInnen diese Bemühungen unterstützten und Solidarität zeigen, um die Arbeitsbedingungen der betroffenen ArbeiterInnen zu verbessern. So müssten die Produktionsbedingungen und -ketten großer Unternehmen verstanden, aber auch beeinflusst werden. Schließlich sei es wichtig, den betroffenen Unternehmen vor Augen zu halten, dass ihre Arbeitsbedingungen nicht menschenwürdig sind und es ein Anliegen von KonsumentInnen ist, diese zu verbessern.

 

Die Autorin ist Praktikantin im Paulo Freire Zentrum. Reaktionen bitte an redaktion@pfz.at

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